Auf der Spuren der Baureihe 05

05

[12. Mai 2011] Anlässlich einer Veranstaltung im Verkehrsmuseum trafen sich vor ca. 2 Jahren Dr. Alfred Gottwaldt und Dierk Lawrenz und vereinbarten an der dort ausgestellten 05 001, über die schnellste deutsche Dampflokomotive ein Buch herauszubringen. 

Gestern, am 11.Mai 2011, jährte sich zum 75. Mal der Tag, an dem die 05 002 auf der Fahrt von Hamburg nach Berlin die 200-km/h-Marke durchbrach und damit den Weltrekord für Dampflokomotiven nach Deutschland holte.

Anläßlich dieses Jubiläums trafen sich Dr. Alfred Gottwaldt und Dierk Lawrenz erneut und fuhren mit dem ICE 797, der aus der ICE1-Garnitur mit den Triebköpfen 401 002 und 401 502 gebildet wurde, ebenfalls von Hamburg nach Berlin.

Regulär fährt der ICE um 15:08 Uhr in der Hansestadt ab. Wegen „Verzögerungen im Betriebsablauf“ verließ er am gestrigen Tag Hamburg aber erst um 15:27 Uhr und fuhr damit genau in der gleichen Fahrplanlage wie seinerzeit die 05 auf ihrer Rekordfahrt. 

Die Fahrt im ICE-Speisewagen und das geschichtsträchtige Datum nutzte Dr. Gottwaldt, das auf einer CD gespeicherte Textmanuskript für das geplante 05-Buch an Dierk Lawrenz zu übergeben.

Lawrenz_Gottwaldt

Damit geht das spannende Baureihenbuch in diesen Tagen in die Produktion und wird voraussichtlich im Herbst diesen Jahres erscheinen.

Die ICE-Fahrt verlief vergleichsweise unspektakulär. Vor 75 Jahren, am 11. Mai 1936, war das anders, als Dipl.-Ing.Paul Roth als Leiter der Meßgruppe für Schnellfahrversuche beim Lokomotivversuchsamt Grunewald mit der 05 002 von Hamburg nach Berlin fuhr. An diesem Tag fand eine große Vorführungs-Rundfahrt für Politik und Wirtschaft statt, in deren Verlauf die Fahrgäste von Berlin-Charlottenburg nach Stendal mit dem Henschel-Wegmann-Zug, von Stendal nach Hannover mit einem dreiteiligen dieselelektrischen Schnelltriebwagen, von Hannover nach Bremen mit einem Doble-Dampftriebwagen, von Bremen nach Hamburg mit einem dreiteiligen dieselhydraulischen Schnelltriebwagen und schließlich mit der 05 von Hamburg nach Berliner Lehrter Bahnhof zurückkehren sollten. 

An diesem Tag beförderte die 05 002 nur vier Wagen mit einem Gewicht von 200 Tonnen, da tags zuvor ein Wagen mit einem Heißläufer-Schaden ausgesetzt worden war. Der Zug sollte die 290 km lange Strecke ohne Halt durchfahren und dabei eine Geschwindigkeit von 180 km/h nicht überschreiten. Unerwartet wurde der Zug jedoch in Wittenberge gestellt, so dass das Lokpersonal die Gelegenheit nutzte, alle Achs- und Stangenlager zu überprüfen und das anfällige Triebstangenlager nachzuölen (Beim gestrigen „Jubiläums-ICE“ unterblieb diese Maßnahme allerdings). In dem darauffolgenden Streckenabschnitt bis Neustadt/Dosse konnte der Zug durch Langsamfahrstellen nicht schneller als maximal 150 km/h fahren. Im restlichen Streckenabschnitt bis Berlin hatte das Lokpersonal allerdings den Ansporn, die durch den Wittenberger Aufenthalt und die Langsamfahrstellen verlorene Zeit wieder aufzuholen und beschleunigte die Lok daher auf mehr als 180 Stundenkilometer. Erfreulicherweise zeigte sich, dass die Lok aufgrund des auf 200 Tonnen reduzierten Zuggewichts, fehlender Seitenwinde und durch nasse Schienen viel schneller auf 195 km/h kam als sonst.

Das Lokpersonal hatte von den Fahrgästen in Hamburg zuvor erfahren, dass sie mit dem dieselelektrischen Schnelltriebwagen zwischen Stendal und Hannover zuvor die 200-km/h-Marke erreicht hatten. Entsprechend geknickt waren Lokführer und Heizer, dass ein Triebwagen der 05 die Höchstgeschwindigkeit streitig gemacht hatte. Dadurch und durch die günstigen Umstände an der Strecke und am Zug wurde die Mannschaft nun angspornt, „aufs Ganze“ zu gehen und einen neuen Versuch zu wagen. Der Kesseldruck stand fest bei 20 atü und Lokführer Oscar Langhans legte die Steuerung nochmals ein paar Zähne vor. Kurze Zeit später stand der Zeiger des Tachometers am Anschlag - der Rekord war erreicht. Um ganz sicher zu gehen und um später nicht bei 199,5 km/h dazustehen, hielt Langhans noch etwas drauf. Im mitgeführten Messwagen des Zuges hatte man die Rekordfahrt mit verfolgt und gab bei Erreichen der 200-km/h-Marke ein langgezogenes Hupsignal nach vorne zur Lok. Heizer Ernst Höhne, der sich über diese Fahrt sichtlich freute, machte seiner Anspannung Luft und soll auf dem Führerstand einen regelrechten Indianertanz mit einem Besen aufgeführt haben.

Nach Nauen durfte der Zug nur 140 Stundenkilometer fahren und erreichte nach Spandau den Lehrter Bahnhof schließlich wie ein „normaler“ Schnellzug. Nach der Ankunft kam Dorpmüller mit der Speisewagenbesatzung zur Lokmannschaft, bot ihnen einen Sekt an und lud sie für abends zum Essen des Verwaltungsrates ein.

Der ICE 797 hatte gestern nicht den Ansporn, die in Hamburg eingefangene Verspätung bis Berlin wieder aufzuholen, so dass der Hauptbahnhof der Hauptstadt erst gegen 17:00 Uhr erreicht wurde, freilich noch ca. 50 Minuten eher als vor 75 Jahren die 05, die damals um 17:47 Uhr den Lehrter Bahnhof erreichte.

Literatur: Dipl.-Ing. Paul Roth: Die schnellste Dampflokomotive der Welt - eine Erinnerung an die Rekordfahrt der 05 002 vor 25 Jahren. In: Die Bundesbahn, Ausgabe 5/6, März 1961, Seiten 237 ff.

Unser Tipp zum Weiterlesen im Herbst 2011:

Baureihe_05

Dr. Alfred Gottwaldt:

Die Baureihe 05 - Die schnellste Dampflokomotive der Welt

Anfang der dreißiger Jahre erreichte der Schienenzeppelin einen neuen Rekord für Schienenfahrzeuge und gab damit der Deutschen Reichsbahn die Veranlassung zur Entwicklung schnellerer Dampflokomotiven. 1932 begann die Planung zur Beschaffung einer 2’C2’h3-Lokomotive, die in der Ebene einen 250-t-Zug mit 150 km/h ziehen und über Leistungsreserven bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h verfügen sollte. Am 8. März (05 001) und am 17. Mai 1935 (05 002) wurden die beiden Stromlinien-Schnellzuglok der Reihe 05 an die Deutsche Reichsbahn geliefert. Die Lok 05 001 wurde nach ersten Erprobungsfahrten nach Nürnberg überführt, wo sie vom 14. Juli bis zum 13. Oktober 1935 im Rahmen der Jubiläumsfeiern zum hundertjährigen Bestehen der deutschen Eisenbahnen gezeigt wurde. Maschine 05 002 war als Messlokomotive vorgesehen. Sie erreichte am 11. Mai 1936 zwischen Hamburg und Berlin mit 200,3 km/h eine Rekordgeschwindigkeit für Dampflokomotiven. In Form der Lok 05 003 folgte bald eine dritte Maschine dieser Baureihe mit vorn liegendem Führerstand und Kohlenstaubfeuerung, die sich jedoch nicht bewährte. Nachdem die Lok an den Hersteller zurückgegeben wurde, baute Borsig diese Lok 1944 in eine normale Ausführung um und lieferte sie noch im Februar 1945 an die Reichsbahn aus. Nach dem Krieg wurden die drei Lokomotiven verändert und liefen im F-Zug-Netz der Bundesbahn. Heute steht die Maschine 05 001 im Nürnberger Verkehrsmuseum. Die langwierige Entwicklungsgeschichte dieser Lokomotiven, ihr Bau bei Borsig und ihre Erprobung auf der Strecke, die Rekordfahrt und der Betriebseinsatz werden in einem großzügig illustrierten Band mit vielen unbekannten Einzelheiten dokumentiert: Werkfotos und Pressebilder, Konstruktionsskizzen und Messwagendiagramme lassen keinen wichtigen Aspekt dieser legendären Maschinen unberücksichtigt. Ein lebendiger Text lässt den Leser am spannenden Wettlauf um das „Blaue Band der Schiene“ vor nunmehr 75 Jahren teilnehmen.
Format: 210 x 297 mm, ca. 250 Seiten, mit ca. 330 Abb.

Das Buch kann unter der Bestellnummer 114 im ekshop.de für nur € 49,90 vorbestellt werden.