Ein Wartehaus für den Großherzog

xwartesaal2155 039 ist mit einem Güterzug in Richtung Stralsund unterwegs und wartet im Bahnhof Gelbensande auf eine Zugkreuzung. Links im Bild das ehemalige Wartehaus für den Großherzog.

Der östlich von Rostock gelegene Gelbensander Forst war in der Vergangenheit der bevorzugte Aufenthaltsort der mecklenburgischen Landesfürsten. Der Großherzog Friedrich Franz III. und seine Gemahlin Anastasia, Großfürstin von Russland, bauten hier ihre Sommerresidenz, das herrliche Jagdschloss Gelbensande. Da der Großherzog stark an Asthma litt, hatte das einzigartige Gemisch aus Wald- und Seeklima hier eine besonders heilsame Wirkung.

xgelbensandeDas Jagdschloß Gelbensande heute.

Anfang 1880 wurde der Baumeister Gotthilf Ludwig Möckel mit der Projektierung des Jagdschlosses beauftragt. Möckel, ein Schüler von Conrad Wilhelm Hase, hatte sich u.a. mit dem Ständehaus in Rostock und Gebäuden in Bad Doberan und Umgebung einen Namen gemacht. Am 1. Mai 1885 erfolgte die Grundsteinlegung für das neue Haus, das 1887 bezugsfertig war.

Da sich der Vater der Großherzogin Anastasia, der Großfürst Michail Nikolajewitsch Romanow, an der Finanzierung des Schlosses beteiligte, wurden seinem Wunsche gemäß einige Änderungen vorgenommen. So erhielt das Gebäude in Anlehnung an russische Schlösser u.a. eine hölzerne Überdachung des Haupteinganges. Auch wurden am Gebäude der russische Zarenadler als Zierelement hinzugefügt.

Bis 1944 wurde das Schloss von der großherzogliche Familie als Sommerresidenz genutzt. Ab Mai 1945 war dort zunächst ein Lazarett untergebracht, später eine TBC-Lungenheilstätte und bis Anfang der achtziger Jahre ein Krankenhaus und Pflegeheim. Heute ist das Schloss ein Restaurant und ein Museum sowie bald auch ein Hotel. Zudem gibt es im Museumsbereich kulturelle Veranstaltungen.

xwartessal4Der Bahnhof Gelbensande von der Gleisseite.

Gelbensande liegt ca. 20 km östlich von Rostock und ca. 53 km von Stralsund entfernt. Am 1. Juli 1888 eröffnete die Preußische Staatsbahn eine Eisenbahnstrecke, die diese beiden Hansestädte miteinander verband. Gelbensande erhielt im Verlauf dieser Strecke zum 1. Juni 1889 einen Bahnhof. Im mecklenburgischen Abschnitt der Strecke übernahm die mecklenburgische Friedrich-Franz-Eisenbahn den Betrieb, der Lokwechsel erfolgte damals im Bahnhof Ribnitz, dem heutigen Ribnitz-Damgarten West.

xwartesaal3Das herzogl. Gebäude, von der Gleisseite gesehen.

xwartesaal1Die Straßenseite des herzoglichen Gebäudes.

1890 bekam der Großherzog einen dreiachsigen Hofsalonwagen, dem bis 1907 weitere Waggons folgten. Mit ihnen unternahm die herzogliche Familie Fahrten im Land und besonders nach Gelbensande, aber auch in die nähere und weitere Umgebung Mecklenburgs, so unter anderem auch nach Friedrichsruh, wo Fürst Bismarck besucht wurde. Im Regelfalle waren die Regierenden mit einem Salonwagen unterwegs, der in die fahrplanmäßigen Reisezüge eingestellt wurde. Es kam aber auch vor, dass der Großherzog im regulären Zug in der 1.Klasse reiste – sehr zur Freude der Mitreisenden, die ihren Landesvater verehrten.

Auf dem Bahnhof Gelbensande konnte es allerdings vorkommen, dass die Kutsche vom Jagdschloss noch nicht eingetroffen war, oder dass im umgekehrten Fall der Zug Verspätung hatte. Für diese Fälle und auch für die standesgemäße Begrüssung und Verabschiedung von Gästen musste der Herzog natürlich einen eigenen Warteraum zur Verfügung haben, Volksnähe hin oder her. So entstand neben dem eigentlichen Bahnhofsgebäude ein kleiner Bau aus gelben Klinkern, deren Nutzung der großherzoglichen Familie nach der Abdankung nach Ende des Ersten Weltkrieges allerdings schon 1919 untersagt wurde.

xwartesaal5Zwischen Rostock und Stralsund verkehren heute FLIRT-Triebwagen der Baureihe 427 und DESIRO-Dieseltriebwagen der Baureihe 642. Hier erreicht ein 642 den Bahnhof Gelbensande.

Das Gebäude wurde danach umgebaut und als Dienstgebäude und auch als Wohnhaus genutzt. Leider ist die ursprüngliche Inneneinrichtung im Laufe der Jahrzehnte abhanden gekommen. In jüngster Zeit wurde es renoviert und ansprechend eingerichtet und beherbergt heute ein kleines Restaurant.

Text und Aufnahmen: Dierk Lawrenz