In memoriam Gottfried Turnwald

TurnwaldSeit mehr als einem halben Jahrhundert erfreuen sich Freunde der Eisenbahn, Lieb­haber der Dampflokomotive, berufsbegeisterte Eisenbahner, Heimatforscher und jüngere Schüler der Eisenbahnfotografie an den Aufnahmen, die Gottfried Turnwald seit etwa 1952 von Dampflokomotiven auf der Strecke in bay­erischen, österreichischen und französischen Landschaften gefertigt und zur Publikation stets bereitwilligst zur Verfügung gestellt hat.

Gottfried Turnwald ging es dabei nicht einfach um die technikgeschichtliche Dokumentation des Eisenbahnbetriebes. Vielmehr verstand er es, seine Züge in ein unvergleichliches kunstvolles Licht der Schwarzweiß-Fotografie zu setzen, zwischen Wiesen, Feldern und Flussläufen oder schneebedeckten Flächen und einem bewegten Himmel, unter dem sich die Dampf- und Rauchwolken der Lokomotive entfalteten.

All diese Aufnahmen waren Früchte unermüdlicher, ohne Zweifel auch einsamer und melancholischer Wanderungen an heute fast durchwegs längst stillgelegten Lokalbahnen, mit besonderer Vorliebe in den gebirgigen Regionen zwischen Donau und böhmischer Grenze und im Allgäu, in Landschaften, die es so still und unberührt heute längst nicht mehr gibt.

Ja, die böhmische Grenze, Sie konnte der aus der Heimat vertriebene Gottfried Turnwald erst 1990 wieder überqueren, selbstverständlich sogleich zum Zwecke des Besuchs einer tschechischen Dampflokomotive. Unser Freund hatte mit dem historischen Schicksal der Vertreibung längst seinen persönlichen Frieden geschlossen und suchte und fand die Freundschaft mit den tschechischen Eisenbahnern und Eisenbahnfreunden in seiner alten Heimat.
Am 24. April gab der Lokführer Radko Friml auf seiner Fahrt von Prag nach Mährisch-Schlesien im Nordosten von Tschechien auf freier Strecke ein langes Pfeifsignal ab – pünktlich zur ersten Minute des Abschiedsgottesdienstes. Dieser Pfiff war der letzte Gruß der europäischen Eisenbahnen an ihren großen Freund Gottfried Turnwald.

Im Vorwort des Buches, das ich 2011 über das fotografische Lebenswerk von Gottfried Turnwald publizieren durfte, habe ich geschrieben „Lieber Gottfried, teile unsere Freude an Deinem Lebenswerk und lasse Dir unseren Dank zur Versöhnung mit Deinem Werk und Deinem Leben gereichen. Dieses Werk reicht über alle zeitbedingten Grenzen hinaus. Wer wie Du die Schönheit des flüchtigen Augenblicks für bleibende Freude bewahrt, öffnet ein Fenster zur Ewigkeit.“
Diese Ewigkeit hat für Gottfried Turnwald jetzt begonnen.

Dein alter Freund und Berufskollege 

Andreas Knipping