Lok „Posen 2455“ neu im Bahnpark Augsburg

xBild 5„Preußens Gloria“ in der Stadt der Fugger: Am 1. November 2014 schloss der Bahnpark Augsburg einen Vertrag über die historische Lokomotive „Posen 2455“ aus dem Jahr 1919. Foto: Bahnpark Augsburg

[5. November 2014] Mit einer preußischen Dampflokomotive aus dem Jahr 1919 zieht ein besonders wertvolles Exponat und zugleich ein Symbol für die wechselvolle europäische Geschichte in das Museum Bahnpark Augsburg ein.

Zum 1. November 2014 schloss der Bahnpark Augsburg einen Vertrag über die „Posen 2455“. Zukünftig ist die geschichtsträchtige Dampflokomotive im Museum im Augsburger Stadtteil Hochfeld beheimatet, wo schon zu Zeiten der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundesbahn Loks der „preußischen Gattung P 8“ stationiert waren. Von der Fuggerstadt aus wird die Lokomotive in ganz Deutschland eingesetzt und soll auf diese Weise auch zukünftig von der wechselvollen preußischen, deutschen und europäischen Geschichte berichten.

Rückblick: Die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts waren eine turbulente Zeit. In Berlin regierte Kaiser Wilhelm II. mit viel Prunk und Pomp ein Reich, das sich im Zeitalter des Imperialismus auf dem Weg zur Weltmacht sah. In fernen Kolonien wurde die Flagge des Kaiserreiches gehisst – daheim in Preußen bestimmte das Militär den Alltag. Wilhelm II. begeisterte sich für die Flotte und investierte viel Geld in den Bau neuer Kriegsschiffe. Auch die „Königlich Preußische Eisenbahn-Verwaltung“ stand beim technischen Fortschritt nicht zurück und machte mit Höchstleistungen immer wieder Schlagzeilen.

Der Preußische Staat reichte zur Jahrhundertwende von der dänischen Grenze im Norden bis nach Kattowitz in Oberschlesien, von Saarbrücken im äußersten Südwesten bis nach Eydtkuhnen an der Grenze zu Russland. Dieses Staatsgebiet konnte nur durch ein leistungsfähiges und engmaschiges Eisenbahnnetz erschlossen werden. Im Zeichen wirtschaftlicher Prosperität entstanden in den Metropolen repräsentative Bahnhofsgebäude, die als „Kathedralen des Verkehrs“ den Wohlstand des Landes symbolisierten. Ingenieure planten für die Eisenbahnen gewaltige Brückenbauwerke, die Täler und Kanäle überwanden. Moderne Lokomotiven und Triebwagen sorgten mit immer neuen Geschwindigkeitsrekorden für Aufsehen: Am 7. Oktober 1903 erreichte ein elektrischer Versuchstriebwagen der Firma Siemens-Halske auf einer Militärstrecke bei Berlin die sagenhafte Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern.

Zur gleichen Zeit entwickelte der Maschinentechniker Robert Garbe (1847 – 1932) in der „Königlichen Eisenbahndirektion Berlin“ eine neue Dampflokomotive, die später als „Gattung P 8“ bezeichnet und als technische Meisterleistung in die Eisenbahngeschichte eingehen sollte. An den Zeichentischen entstand eine leistungsfähige und zugleich robuste Lokomotive, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von 110 Stundenkilometern auch im Schnellzugdienst einsetzbar war. Moderne „Heißdampftechnik“ sorgte für einen niedrigen Kohleverbrauch.

Zwischen 1906 und 1939 wurden nach den Plänen von Robert Garbe insgesamt 3948 Dampflokomotiven der Baureihe P 8 gebaut, die unter anderem auch nach Polen, Litauen und Rumänien geliefert wurden.

Doch als die berühmten „Linke-Hofmann-Werke“ in Breslau im März 1919 eine dieser P 8-Lokomotiven mit der Bezeichnung „Posen 2455“ fabrikneu zur Ablieferung bereit stellten, war die Welt eine andere geworden: Der Erste Weltkrieg war wenige Monate zuvor im November 1918 für Deutschland verloren gegangen und hatte ganz Europa in eine Katastrophe gestürzt. Millionen von Soldaten hatten auf den Schlachtfeldern den Tod gefunden. Am 9. November 1918 war in Berlin die Republik ausgerufen worden. Wenig später musste Kaiser Wilhelm abdanken und ins Exil gehen. Aus dem Kaiserreich wurde die Weimarer Republik, die in Berlin von unerfahrenen Demokraten regiert wurde. „Preußens Gloria“ war Hunger, Not und Elend gewichen.

Mit Wirkung vom 1. April 1920 wurden die deutschen Eisenbahnen „verreichlicht“. Die einzelnen Länder Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin und Oldenburg mussten ihre Eisenbahnen zur „Deutschen Reichsbahn“ zusammenschließen und in das Eigentum des Deutschen Reiches übergeben. Grund dafür waren die Reparationsansprüche, welche die Alliierten nach dem Ende des Ersten Weltkrieges an Deutschland stellten und die vor allem auch von den Eisenbahnen zu erfüllen waren. Bereits im Waffenstillstandsvertrag von Compiègne war Deutschland unter anderem zur Abgabe von 5000 Lokomotiven, 10000 Personen- und 150000 Güterwagen an die Siegermächte verpflichtet worden.

Auch die Dampflok „Posen 2455“ geriet nun in den Strudel der Geschichte. Nach ihrer Ablieferung im März 1919 wurde sie zunächst vermutlich beim Bahnbetriebswerk Glatz rund 80 Kilometer südwestlich von Breslau stationiert und zog Personenzüge durch Schlesien. Im August 1926 wurde die Lokomotive dann an die Rumänischen Staatseisenbahnen verkauft, wo sie die Betriebsnummer „230.094“ erhielt. Weitere Stationen im Leben der Maschine waren die Städte Craiova, Severin, Bukarest, Simeria, Arad und Cluj. Über Jahrzehnte hinweg dampfte die „Preußin“ nun mit ihren Zügen durch die Karpaten, die Walachei und Transsilvanien. Sie überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet und wurde erst im Jahr 1974 im rumänischen Fetesti nach rund 55 Jahren Dienstzeit aufs Abstellgleis geschoben.

Das Schicksal der Lok schien besiegelt; der Weg auf den Schrottplatz war vorgezeichnet. Doch es kam ganz anders. Nach dem Ende der Diktatur in Rumänien im Jahr 1989 entdeckte der deutsche Unternehmer Manuel Jußen die abgestellte Lokomotive. Nach zähen Verhandlungen schloss Jußen im Frühjahr 1998 einen Kaufvertrag, ließ die Lokomotive in Rumänien restaurieren, betriebsfähig herrichten und weitgehend in den preußischen Ablieferungszustand des Jahres 1919 zurückversetzen. Mit ihrer alten Bezeichnung „Posen 2455“ trat die Lok dann im August 2001 ihre „Heimreise“ nach Deutschland an, wo sie seither vor Museumszügen im ganzen Land nicht nur Eisenbahnfans begeistert. Bekannt wurde sie vor allem mit dem „Zug der Erinnerung“, der als „rollende Ausstellung“ von 2007 bis 2013 in Deutschland und Polen an die Deportation von mehreren hunderttausend Kindern in die nationalsozialistischen Konzentrationslager erinnerte.

xBild 2Über Jahrzehnte hinweg fuhren die Dampflokomotiven der Baureihe P 8 in ganz Europa. Diese Szene entstand in den 1930er-Jahren am Bahnhof Berlin-Friedrichstraße.
Foto: Slg. Bahnpark Augsburg

Technische Daten

Bauart:    1’C h2
Spurweite:    1435 mm
Hersteller:    Linke-Hofmann-Werke, Breslau Kassel
Fabriknummer:    1804
Baujahr:    1919
Länge über Puffer:    18.602 mm
Gewicht:    76,7 t
Höchstgeschwindigkeit:    110 km/h
Leistung:    868 kW
Eigentümer:    privat

Quelle: Bahnpark Augsburg