Seit 30 Jahren im Einsatz: die „Gumminasen"!

00001 500Eine IC3-Dreifachtraktion in den Weiten des dänischen Jütlands im Sommer 1992 auf dem Weg von Fredericia nach Kopenhagen. Alles Fotos: Erik Körschenhausen

[22. September 2019] In diesem Jahr jährt es sich zum dreißigsten Male, als die ersten dänischen Schnelltriebzüge IC3 in Dienst gestellt wurden. 1989 lieferte die Firma ABB Scandia im dänischen Randers die ersten von 92 bestellten Dieseltriebwagen der Baureihe MF, von der Dänischen Staatsbahn (DSB) als IC3 bezeichnet, aus.

Es sind dreiteilige Triebzüge, deren inneren Wagenenden jeweils gemeinsam auf einem Jakobsdrehgestell aufsitzen. In den äußeren Wagenteilen werkeln vier Sechszylinder-Dieselmotoren mit jeweils 330 kW von Deutz (seit 2005, ausgeliefert wurden die Züge mit leistungsschwächeren Achtzylindermotoren, ebenfalls von Deutz), die eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h ermöglichen.

02 DSBIC35248esbjerg0692Mächtig, gewaltig, würde Egon von der Ølsen-Bande rufen – die "Gumminase"! Ein noch neuer MF 5048 im Bahnhof von Esbjerg. Juni 1992.

Die Markenzeichen der Triebzüge sind die auffälligen Fronten mit den voluminösen luftgefüllten Gummiwülsten. Daher die scherzhafte Bezeichnung „Gumminase". Die Idee, die dahinter steckt, ist einfach banal und doch genial:

Da die dänischen Schnellzüge (egal ob lokbespannt oder als Triebwagen) von der Hauptstadt Kopenhagen aus immer in nord- und südwestlicher Richtung fahren, um alle Großstädte Dänemarks zu erreichen, fahren diese Züge auf Teilstrecken gemeinsam. Deswegen haben die IC3-Dieseltriebzüge, wie später auch die elektrischen IR4-Triebzüge, Fronten, deren Führerstände im gekuppelten Betrieb mit wenigen Handgriffen schnell zur Seite weggeklappt werden können. Und die dicken Gummiwülste sorgen für einen luftdichten Übergang zwischen den Einheiten.

03 DSBIC35260NorreNebel0692 Bei Norre Nebel brummte MF 5060 von Esbjerg nach Kopenhagen – in Fredericia wird er mit seinen Kollegen aus Aarhus, Struer etc. verlängert.

Der betriebliche Ablauf vor der Eröffnung der Storebeltbrücke, die die Eisenbahnfähren zwischen den Inseln Seeland und Fünen im Jahre 1998 ersetzte, sah so aus:

In Fünffachtraktion (!) fuhren die IC3 von Kopenhagen bis Korsør, wo vier Einheiten auf die Eisenbahnfähre fuhren, die fünfte Einheit verblieb dort. In Fredericia auf der Halbinsel Jütland verkehrte eine Doppeltgraktion weiter nach Arhus und von dort aus einzeln nach Struer und Frederikshavn. Die beiden weiteren einzelnen IC3 fuhren von Fredericia nach Esbjerg bzw. Sønderborg. Das ganze geschah in der Gegenrichtung eben mit den Zusammenführungen aller Züge nach Kopenhagen.

04 DSBIC35283Ahrensbg0194An einem bitterkalten, aber sonnigen Januartag des Jahres 1994 eilen drei IC3 als EuroCity 189 "Hamlet" nördlich von Hamburg durch Ahrensburg-West. In der ursprünglichen Lackierung sahen die Triebzüge richtig edel aus, in Weiß mit den roten Türen.

Der betriebliche Vorgang in den Trennungsbahnhöfen ist für den normalen aufmerksamen Betrachter ungewohnt: Kommt eine Mehrfachtraktion, noch in Schrittgeschwindigkeit fahrend, entkuppeln sich bei ca. 5-8 km/h die Einheiten, wobei dann der hintere Triebzug sofort den Bremsvorgang einleitet und der vordere erst Augenblicke später. So kommen dieTriebzüge mit ca. ein bis  zwei Metern Abstand voneinander entfernt zum Stillstand. Die Führerstandsfronten sind schon vorher eingeschwenkt und eingerastet. Der Aufenthalt in den Trennungs- bzw. Kuppelbahnhöfen dauert damit nicht viel länger als bei normalen Zügen.

05 DSBIC35283Wandsbek0993Wandsbek Ost, somit ist Hamburg erreicht! Der EC 191 "Karen Blixen" ist fast am Ziel seiner Reise von Kopenhagen. August 1993.

Zehn IC3-Einheiten sind zusätzlich mit der deutschen Zugsicherung PZB und modifizierten Schwenkschiebetüren (da die normale Ausührung immer mit den deutschen Bahnsteigkanten in Berührung kommt) ausgestattet und fahren seit Anfang der 90er Jahre auch zwischen Kopenhagen und Hamburg via Vogelfluglinie. Bis 2007 fuhren sie als Doppeltraktionen zwischen Kopenhagen und Puttgarden, dort wurde eine dritte Einheit – die nur in Deutschland eingesetzt wurde – angekuppelt, die dann als Dreifachtraktion nach Hamburg weiter fuhr.

2007 bis 2017 fuhren die etwas glücklosen ICE-TD der Baureihe 605 die EuroCities zwischen Hamburg und Kopenhagen und verdrängten die „Gumminasen" von ihrer angestammten Stammstrecke. Nur zwischen Aarhus und Hamburg fuhren einzelne IC3 weiterhin via Padborg/Flensburg.

06 DSB5087u5081HHHbf2p230618Nur noch bis zum Fahrplanwechsel im Dezember dieses Jahres werden die "Gumminasen" aus dem Hamburger Hbf in Richtung Lübeck / Puttgarden ausfahren. Eine Ära endet.

07 DSB5090u5079u5088Rotherbaum3p090618Dagegen werden die IC3 dann häufiger auf der Hamburger Verbindungsbahn in Richtung Flensburg zu sehen sein. Auch vermehrt als lange Dreifachtraktionen mit zwölf arbeitenden Sechszylinder-Dieselmotoren. Hamburg, 9. Juli 2019.

 08 DSB5079u5083Kreyhorn2p270719Zwei IC3 brummen als InterCity 383 von Hamburg nach Aarhus durch Schleswig-Holstein in Richtung Flensburg. Tornesch, 27. Juli 2019.

Aber seit dem Rückzug der ICE-TD haben die IC3 wieder Oberhand und fahren bis Dezember 2019 noch die mittlerweile als InterCities bezeichneten ehemaligen EuroCities über die Vogelfluglinie. Mit dem Fahrplanwechsel geht dann leider eine Ära des Personenfernverkehrs mit Eisenbahnfähren zu Ende, da aufgrund des Streckenausbaus auf der dänischen Seite eine Streckenvollsperrung erfolgt.

Dafür sollen die IC3 dann vermehrt in Mehrfachtraktionen zwischen Hamburg und Kopenhagen via Flensburg/Padborg verkehren.

09 DSB5258u2141Kolding3p050914Im dänischen Kolding sind zwei "Gumminasen" gemeinsam von Oesterport gekommen und sind wenige Meter voneinander getrennt zum Stehen gekommen. Alltag in Dänemark! Der vordere IC3 wird als IC 841 weiter nach Esbjerg fahren, der hintere IR4 (die E-Variante) als IC 941 nach Sønderborg.

Deren elektrischen Schwestern sind die 44 fast zur selben Zeit gebauten vierteiligen "IR4", ebenfalls von ABB Scandia in Randers. Deren Grundkonzeption ist mit den dreiteiligen IC3 identisch, eben nur um einen Wagen länger. Diese Züge sind in der Lage, mit den Dieseltriebwagen gekuppelt zu fahren, was auch täglich praktiziert wird.

10 DSB2133Tommerup1p060914Eine E-Variante der "Gumminasen", der IR4 als Regiotog (R) 2745 von Odense nach Sønderborg bei Tommerup auf der Insel Fünen. 6. September 2014.

11 DSB5072Tommerup070914Ein IC3-Doppel als IC 120 von Lindholm nach Kopenhagen Flughafen bei Tommerup.

 12 DSB5235u5010Tommerup1p060914Der InterCity 145 von Kopenhagen Flughafen nach Lindholm mit zwei IC3 im September 2014 auf Fünen.

In Schweden und Israel fahren ähnliche Dieseltriebzüge, wobei die zehn Triebwagen von der Israel Railways ehemalige Schweden sind, die gebraucht nach Israel kamen (weitere vier Schweden wurden an die DSB verkauft, um die IC3-Flotte zu verstärken). Nach Spanien wurden 22 zweiteilige Triebzüge (RENFE-Baureihe 594) geliefert, die aber mittlerweile modernisiert ohne die markanten Gummifronten unterwegs sind.

Die dänischen Züge werden demnächst für mind. zehn weitere Betriebsjahre modernisiert, wo die Inneneinrichtung z.T. komplett erneuert werden soll.

In diesem Sinne: Tillykke med din 30-års fødselsdag, IC3!

Text/Fotos: Erik Körschenhausen