Zweikraft-218.7 im Probeeinsatz!

00001 500218 774 auf einer ihrer ersten Probefahrten unter der Fahrleitung im Netz der DB AG. Mithilfe der TEE-Wagen wird das Verhalten der neuen Zugenergieversorgungsanlage überprüft. Fotos: Erik Körschenhausen

April, April!
[Update 6.4.2020] Es wäre so schön gewesen: Die großen EVU hätten ihre Lokomotivflotten um eine bewährte und modernisierte Baureihe ergänzen können. Wir hätten ein neues Fotomotiv, dem wir hinterhergejagt wären. Wir hätten ein ausführliches Porträt dieser neuen Baureihe schreiben und die EK-Trilogie über die V160-Familie um einen Band ergänzen können.
Aber leider gibt es die neue Baureihe 218.7 nicht, sie ist eine Schöpfung der EK-Mitarbeiter Karl Ramseier und Erik Körschenhausen. Karl hat die technische Beschreibung verfasst und Erik hat in seinem digitalen Instandhaltungswerk den Umbau vorgenommen. Wir freuen uns, dass ein lesenswerter Beitrag herausgekommen ist, der uns alle zum Schmunzeln und Lachen einlädt. Trotz der gegenwärtig angespannten Situation sollten wir das nicht verlernen.
Wir danken den genannten EK-Mitarbeitern für die Umsetzung und Ihnen für den großen Zuspruch. Und wer weiß: Vielleicht sehen wir eines Tages ja doch noch diese neue Baureihe. Es wäre nicht der erste Aprilscherz vom EK, der Wirklichkeit geworden ist.
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[1. April 2020] Das deutsche Eisenbahnnetz ist aktuell zu 60% elektrifiziert, wobei auf dem elektrisch betriebenen Streckennetz über 90 % der Verkehrsleistungen erbracht werden. Wenn gleich sich der Anteil der nicht elektrifizierten Strecken in Zukunft weiter verringern wird, werden immer noch Verkehrsleistungen von Lokomotiven mit autonomem Antrieb notwendig sein. Andererseits ist es Tatsache, dass Diesellokomotiven immer noch mit ihrem Dieselmotor unter dem Fahrdraht fahren müssen und somit negativ zur CO2-Bilanz des Systems Bahn beitragen. Die Entwicklung von elektrischen Lokomotiven mit einem „last-mile“ Dieselaggregat oder Hybridlokomotiven ist hier sicherlich der Schritt in die richtige Richtung, jedoch mit einem hohen Investitionsaufwand verbunden.

Auf Initiative des Vorstandressorts Digitalisierung, Innovation & Technik der Deutschen Bahn AG wurde in Zusammenarbeit mit Siemens Mobility eine innovative und kostengünstige technische Lösung erarbeitet: Die Zweikraft 218.7!

Da sich die Grundkonzeption der 218 seit nun über 50 Jahren bewährt hat und der technische Zustand immer noch hervorragend ist, lag es nahe, eine Lokomotive dieser Baureihe für das Forschungsprojekt auszuwählen.

Die herausfordernde Aufgabe war es, die 218 mit einer elektrischen Zusatzeinrichtung auszurüsten, die es ermöglicht, unter Fahrdraht mindestens die gleichen Traktionsleistungen bereitzustellen wie im Dieselbetrieb, auch war die Versorgung der Zugsammelschiene aus der Fahrleitung zwingend vorgeschrieben. Das Gewicht der Lokomotive sollte sich dabei um nicht mehr als 8% erhöhen.

Die Fortschritte in der Halbleiterentwicklung ermöglichten die Verwendung von Hochspannungs-Schaltnetzteilen, wodurch auf den klassischen, schweren Transformator verzichtet werden konnte. Dieses von Siemens entwickelte Hochspannungs-Schaltnetzteil, das in seinem Aufbau grundsätzlich vergleichbar mit einem Smartphone-Ladegerät ist, formt die 15 kV, 16,7 Hz Einphasenwechselspannung, die über zwei auf der Führerstandseite 2 angeordnete Einholmstromabnehmer und einen Vakuum-Hauptschalter zugeführt wird, in eine Gleichspannung um, die zudem noch im Verhältnis 1:3 variierbar ist. Damit wird ein schnelllaufender Homopolarmotor versorgt, der seine Leistung in das geringfügig modifizierte hydrodynamische Getriebe abgibt. Diese Modifikation des Getriebes war bereits bei den Lokomotiven der Baureihe 210 mit Gasturbinenzusatzantrieb erarbeitet worden und hatte sich seinerzeit bewährt. Zur Versorgung der Zugsammelschiene wird im Fahrleitungsbetrieb ein spezielles Schaltnetzteil verwendet, im Dieselbetrieb arbeitet der Homopolarmotor als Generator zur Erzeugung der Leistung für die Zugsammelschiene. Der ursprünglich vorhandene Heizgenerator konnte entfallen. An seinen Einbauort fand der Homopolarmotor seinen Platz. Neu ist auch der FT-Elektronenfilter, der dafür sorgt, dass ausschließlich Elektronen aus erneuerbarer Produktion Zugang zur Lokomotive erhalten.

Die klassische Dieselanlage mit dem 16V 4000 R40 von MTU sowie der Gelenkwellenantrieb blieben unverändert. Weitere Details wurden wegen dem noch nicht abgeschlossenen Patentverfahren nicht bekannt gegeben.

x5DB218374u307Halstenbek220411 FB IC2171 wland HHDas Spenderfahrzeug 218 374 im ursprünglichen Einsatz: Am 22.4.2011 ist die Lok zusammen mit 218 307 am IC 2171 von Westerland nach Hamburg unterwegs.

Als Spenderfahrzeug diente die 218 374, die entgegen landläufiger Meinung nicht 2013 in Bremen verschrottet, sondern über all die Jahre an einem sicheren Ort aufbewahrt worden war. Der Umbau fand im vergangenen Jahr in einem Spezialbetrieb in Halle statt. Die Erstinbetriebnahme und erste Versuchsfahrten erfolgten unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Siemens Prüfcenter in Wildenrath. Die Lokomotive ist aktuell im Anstrichschema „weiss-grau“ des DB Vorstandsressort „Digitalisierung und Innovation“ gehalten, wie es schon vom „Advanced Train Lab“ (605 017) bekannt ist.

Die bisherigen Probefahrten verliefen sehr zufriedenstellendend. Sowohl das Hochspannungsschaltnetzteil als auch der Homopolarmotor erreichten die projektierten Leistungswerte. Dabei wurden mühelos 180 km/h erreicht, sodass derzeit eine Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h geprüft wird. Auch die ökologische Bilanz kann bislang überzeugen: Im Fahrleitungsbetrieb wurden bei der Lokomotive keinerlei CO2 Emissionen festgestellt. Sollten alle Tests erfolgreich abgeschlossen werden, ist geplant, etwa 50 Lokomotiven der Baureihe 218 entsprechend umzurüsten. Die neue Baureihe wird dann als 218.7 geführt werden, wobei die Zehner- und die Einerstelle der ursprünglichen Ordnungsnummer beibehalten werden.

Aufgrund ihres bemerkenswerten ökologischen Charakters soll 218 774 noch auf den Namen „Greta“ getauft werden, der Termin ist allerdings wegen der aktuellen Lage noch nicht bekannt.

Der EK wünscht dieser innovativen Lokomotive allzeit gute Fahrt!

Bericht: Karl Ramseier
 Fotos: Erik Körschenhausen