11. Mai 1936: Rekordfahrt mit 05 002 von Hamburg nach Berlin

00001 500Foto: C.Bellingrodt / EK-Archiv

Heute vor 85 Jahren, am 11. Mai 1936, erreichte 05 002 auf der Strecke von Hamburg nach Berlin die 200-km/h-Marke. An dem Tag war Dipl.-Ing.Paul Roth als Leiter der Meßgruppe für Schnellfahrversuche beim Lokomotivversuchsamt Grunewald mit der Stromlinienlok von der Hansestadt in die Hauptstadt unterwegs. An diesem Tag fand eine große Vorführungs-Rundfahrt für Politik und Wirtschaft statt, in deren Verlauf die Fahrgäste von Berlin-Charlottenburg nach Stendal mit dem Henschel-Wegmann-Zug, von Stendal nach Hannover mit einem dreiteiligen dieselelektrischen Schnelltriebwagen, von Hannover nach Bremen mit einem Doble-Dampftriebwagen, von Bremen nach Hamburg mit einem dreiteiligen dieselhydraulischen Schnelltriebwagen und schließlich mit der 05 von Hamburg nach Berliner Lehrter Bahnhof zurückkehren sollten.

An diesem Tag beförderte die 05 002 nur vier Wagen mit einem Gewicht von 200 Tonnen, da tags zuvor ein Wagen mit einem Heißläufer-Schaden ausgesetzt worden war. Der Zug sollte die 290 km lange Strecke ohne Halt durchfahren und dabei eine Geschwindigkeit von 180 km/h nicht überschreiten. Unerwartet wurde der Zug jedoch in Wittenberge gestellt, so dass das Lokpersonal die Gelegenheit nutzte, alle Achs- und Stangenlager zu überprüfen und das anfällige Triebstangenlager nachzuölen. In dem darauffolgenden Streckenabschnitt bis Neustadt/Dosse konnte der Zug durch Langsamfahrstellen nicht schneller als maximal 150 km/h fahren. Im restlichen Streckenabschnitt bis Berlin hatte das Lokpersonal allerdings den Ansporn, die durch den Wittenberger Aufenthalt und die Langsamfahrstellen verlorene Zeit wieder aufzuholen und beschleunigte die Lok daher auf mehr als 180 Stundenkilometer. Erfreulicherweise zeigte sich, dass die Lok aufgrund des auf 200 Tonnen reduzierten Zuggewichts, fehlender Seitenwinde und durch nasse Schienen viel schneller auf 195 km/h kam als sonst.

Das Lokpersonal hatte von den Fahrgästen in Hamburg zuvor erfahren, dass sie mit dem dieselelektrischen Schnelltriebwagen zwischen Stendal und Hannover zuvor die 200-km/h-Marke erreicht hatten. Entsprechend geknickt waren Lokführer und Heizer, dass ein Triebwagen der 05 die Höchstgeschwindigkeit streitig gemacht hatte. Dadurch und durch die günstigen Umstände an der Strecke und am Zug wurde die Mannschaft nun angspornt, „aufs Ganze“ zu gehen und einen neuen Versuch zu wagen. Der Kesseldruck stand fest bei 20 atü und Lokführer Oscar Langhans legte die Steuerung nochmals ein paar Zähne vor. Kurze Zeit später stand der Zeiger des Tachometers am Anschlag – der Rekord war erreicht. Um ganz sicher zu gehen und um später nicht bei 199,5 km/h dazustehen, hielt Langhans noch etwas drauf. Im mitgeführten Messwagen des Zuges hatte man die Rekordfahrt mit verfolgt und gab bei Erreichen der 200-km/h-Marke ein langgezogenes Hupsignal nach vorne zur Lok. Da direkte Werte der Fahrgeschwindigkeit nicht mehr gemessen werden konnten, musste man die Weg/Zeitmessung zu Hilfe nehmen, um letztendlich die Geschwindigkeit zu bestimmen. Man stellte fest, dass 5 km in weniger als 90 s durchfahren wurden, was als Ergebnis den Rekord von 200,4 km/h ergab.

Nach Nauen durfte der Zug nur 140 Stundenkilometer fahren und erreichte nach Spandau den Lehrter Bahnhof schließlich wie ein „normaler“ Schnellzug. Nach der Ankunft kam Dorpmüller mit der Speisewagenbesatzung zur Lokmannschaft, bot ihnen einen Sekt an und lud sie für abends zum Essen des Verwaltungsrates ein.

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