Die Ericusbrücke in Hamburg

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ericusbruecke4Die Ericusbrücke. Im Hintergrund überquert ein metronom die Oberhafenbrücke.

11.03.2011: Die Ericusbrücke in der HafenCity hat in ihrer mehr als 140jährigen Geschichte auch eine bedeutende Rolle im Eisenbahnverkehr Hamburgs gespielt. Wir stellen dieses Kleinod ausführlich vor.

Wenn man heute mit dem Zug aus südlicher Richtung nach Hamburg kommt, die Norderelbbrücken passiert und auf der neuen „Pfeilerbahn“ schließlich die viergleisige Oberhafenbrücke erreicht, dann präsentieren sich auf der linken Seite die Neubauten der HafenCity, die den einstmals grandiosen Blick auf die Kulisse der Hamburger Speicherstadt verwehren. Der hier überquerte Oberhafen wird in Richtung Hafen von der Ericusspitze geteilt, auf der in jüngster Zeit die markanten Neubauten der Hamburger SPIEGEL-Gruppe entstanden sind. Rechts von diesen Neubauten geht der Oberhafen in den Zollkanal über, links in den Ericusgraben, der seinerseits dann im anschließenden Brooktorhafen mündet. Über diesen Ericusgraben ist vom Zug aus eine kleine unscheinbare Brücke zu sehen: die Ericusbrücke. Diese filigrane, ohne große Überbauten auskommende Konstruktion wollen wir in diesem Beitrag näher beleuchten, denn sie hat eine bemerkenswerte, mehr als 140jährige Geschichte hinter sich.

Erste Eisenbahnen in Hamburg

Am 16. Mai 1842 eröffnete die Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn ihren Betrieb. Mit einer Streckenlänge von nur 16 km hatte sie zunächst nur lokale Bedeutung. Vier Jahre später wurde aber die Strecke von Bergedorf nach Berlin eröffnet, so dass die weiterführende Verbindung nach Hamburg nunmehr eine Fernverkehrsstrecke darstellte. Diese endete in der Hansestadt im Berliner Bahnhof in Hammerbrook am Deichtorplatz. Sie entwickelte sich alsbald zu einer der wichtigsten Verkehrsader Hamburgs. 

ericusbruecke6Der Berliner Bahnhof in Hamburg. Im Vordergrund wird ein Zug zum Hannoverschen Bahnhof überführt.

Im benachbarten Altona, damals noch zu Dänemark gehörend, war 1844 die Altona-Kieler Eisenbahn eröffnet worden, deren Anlagen sich vom Bahnhof an der Palmaille entlang der Bahnhofstraße bis zur Großen Bergstraße hinzogen. Ende des 19. Jahrhunderts entstand ein Neubau in Höhe der Großen Bergstraße, der in zwei Stufen dem Betrieb übergeben wurde. 

1865 wurde die Verbindung von Lübeck nach Hamburg fertiggestellt und 1872 schließlich wagte die Köln-Mindener Eisenbahn den Brückenschlag über die Süder- und Norderelbe. Ihre Strecke endete auf dem Großen Grasbrook im so genannten Venloer Bahnhof, der später als Hannoverscher Bahnhof bezeichnet wurde. 

Die Verbindungsbahn

Bereits 1845 hatte es Bestrebungen gegeben, die Altona-Kieler Eisenbahn mit der Berlin-Hamburger Eisenbahn durch eine Verbindungsbahn zu verknüpfen.  Es sollte aber noch 15 Jahre dauern, bis am 30. April 1860 Dänemark und Hamburg einen Staatsvertrag über den Bau einer Strecke von Altona nach Hamburg abschlossen. Bis 1864 wurden Trassenvorschläge geprüft, wobei die Wahl auf eine Strecke fiel, die im ehemaligen Stadtgraben bis zum Ferdinandstor verlief, dann über die Lombardsbrücke hinweg durch die Esplanade und durch den Botanischen Garten gebaut werden sollte. Pikanterweise führte Preußen zu jener Zeit Krieg gegen Dänemark, dessen Ausgang zur Folge hatte, dass Dänemark seine Besitztümer Schleswig und Holstein sowie Lauenburg verlor. Die AKE übernahm den Bau der Strecke, die am 16. Juli 1866 - also vor fast 145 Jahren - dem Personenverkehr übergeben wurde. 

ericusbruecke8Der Klosterthor-Bahnhof, rechts im Bild ist ein Zug aus Berlin zu sehen.

Der Bahnhof Klosterthor

Da die Gleise der Verbindungsbahn aufgrund beengter Platzverhältnisse nicht durch das Portal des Berliner Bahnhofs geführt werden konnten, mussten aus Altona eintreffende Züge über die Amsinckstraße hinweg am Bahnhofsgebäude vorbei auf das Gleisvorfeld geführt und von dort in die Bahnhofshalle zurückgedrückt werden. Da dieses Verfahren auf die Dauer wenig praktikabel erschien, wurde als Endpunkt der Verbindungsbahn in der Nähe des Berliner Bahnhofs der Bahnhof Klosterthor errichtet. Aus Altona und Schleswig-Holstein eintreffende Züge hielten auf der linken Bahnhofsseite und fuhren dann ohne einen weiteren Halt am Berliner Bahnhof in Richtung Berlin weiter. Nach Eröffnung des Hannoverschen Bahnhofs am Lohseplatz kam auch das Bedürfnis auf, Züge aus Schleswig-Holstein über den Hannoverschen Bahnhof nach Harburg und weiter nach Cuxhaven, Bremen oder nach Hannover zu führen. Die Berlin-Hamburger Eisenbahn hatte bereits kurz nach Eröffnung der Verbindungsbahn eine Güterzugstrecke vom Gleisvorfeld des Berliner Bahnhofs links am Gebäude vorbei, durch die Bahnhofstraße und über den Oberhafen hinweg zum Theerhof eröffnet. Im Verlauf dieser Güterzugstrecke befindet sich auch die Ericusbrücke.

ericusbruecke5Die Bahnhöfe im Zentrum Hamburgs: Links ist der Klosterthor-Bahnhof zu sehen, in der Bildmitte der Berliner Bahnhof und rechts der Hannoversche Bahnhof. Gut zu sehen die Gleisverbindung über die Ericusbrücke zum Hannoverschen Bahnhof.


Die Ericusbrücke

Dieses kleine Bauwerk gehört heute zu den ältesten Drehbrücken Deutschlands. Sie entstand 1870 als kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke, um die von der Innenstadt über die Wandrahmbrücke kommende Straße Poggenmühle mit der Stockmeyerstraße am Lohseplatz zu verbinden, wo zu der Zeit bereits die Vorbereitungen zum Bau des Hannoverschen Bahnhofs liefen. Gleichzeitig wurde die Brücke in der Holzbohlenfahrbahn mit einem Gleis versehen, mit dem über eine Weiche vom Hafenbahngleis der Berlin-Hamburger Eisenbahn eine Schienenverbindung vom Berliner Bahnhof und vom Klosterthor-Bahnhof zum Hannoverschen Bahnhof hergestellt wurde.

Ericusbruecke10Das Portal des Hannoverschen Bahnhofs. Gut ist im Vordergrund das von der Ericusbrücke ankommende Gleis zu sehen.

Die genietete, mit zwei Stützrädern versehene Stahlbrücke ruht auf einem Mittelpfeiler aus Sandstein und hat als Besonderheit zwei unterschiedlich lange Arme aufzuweisen. Während der Nordarm einen Radius von nur 17,7 m misst, hat der Südarm eine Länge von 18,04 m. Die Breite der Brücke beträgt 8,90 m. Wie zu jener Zeit üblich, führte man auch diese Brücke beweglich aus, um den zu jener Zeit noch wesentlich intensiveren Binnenschiffsverkehr, besonders für die hier eintreffenden, für den Wochenmarkt mit Obst- und Gemüse beladenen Schiffe, nicht zu sehr zu behindern. 

Der Eisenbahnverkehr über die Ericusbrücke

Nach Aufnahme des Eisenbahnbetriebes am Hannoverschen Bahnhof wurden auf der bisher für den Güterverkehr vorhandenen Strecke auch Personenzüge überführt, die über die Verbindungsbahn von Schleswig-Holstein und Altona am Klosterthor-Bahnhof eingetroffen waren.

ericusbruecke7Überführung eines Personenzuges durch die Bahnhof-Strasse vom Klosterthor-Bahnhof zum Hannoverschen Bahnhof.

Nach einem kurzen Halt ging die Fahrt von dort in Schrittgeschwindigkeit und in Begleitung eines vorauslaufenden, eine Flagge schwenkenden Eisenbahners durch die Bahnhof-Straße zum Oberhafen, über den Oberhafen hinweg zum Brooktor und von dort abzweigend über die Ericusbrücke und über den Bahnhofsvorplatz hinweg durch das Portal in den Hannoverschen Bahnhof. Von Harburg ankommende und nach Norden weiterfahrende Züge mussten ebenfalls über dieses Gleis in gleicher Weise überführt werden. Die Ericusbrücke, und dass ist das Besondere, nahm zu jener Zeit den gesamten Schienen-Personenverkehr auf, der aus Richtung Harburg über den Hannoverschen und den Klosterthor-Bahnhof nach Altona und Schleswig-Holstein und zurück führte. Der aus Schleswig-Holstein, Altona und aus Richtung Lübeck und Berlin nach Süden und zurück laufende Güterverkehr wurde zwar auch noch durch die Bahnhof-Straße begleitet, von dort aber alsbald aber über die Gleisverbindungen Brooktorkai, am Brooktor und dann in einem großen Halbkreis über die den Magdeburger Hafen querende Baakenbrücke dem Güterbahnhof südlich des Hannoverschen Bahnhofs zugeführt, von wo die weitere Zugbildung Richtung Süden erfolgte. Der Personenverkehr über die Ericusbrücke wurde jedoch noch für einige Jahrzehnte beibehalten, wobei täglich 10 − 15 Zugpaare durch die Straßen und über die Brücke geführt wurden. 


Die Umgestaltung der Eisenbahnanlagen Hamburgs

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nahm der Verkehr auf den Eisenbahnverbindungen in Hamburg, der nach wie vor auf Straßenniveau abgewickelt wurde, immer weiter zu, so dass der Straßen- und Straßenbahnverkehr immer häufiger an zahlreichen geschlossenen Schranken warten musste.

ericusbruecke9Hochbetrieb am Berliner Bahnhof: Von links kommt eine Lok aus Richtung Berlin in Richtung Verbindungsbahn. Im Hintergrund ist ein Zug vom Hannoverschen Bahnhof zu sehen. Zwischen den beiden Strecken ist eine Straßenbahn unterwegs.

Im Zuge der Umgestaltung der Hamburger Eisenbahnanlagen wurde die Trennung des Güterverkers vom Personenverkehr beschlossen und eigene Güterbahnhöfe u.a. in Eidelstedt, Rothenburgsort, Wilhelmsburg und Harburg errichtet. Gleichzeitig wurde die Trasse der Verbindungsbahn auf einen Damm verlegt, so dass der Straßenverkehr ungehindert fliessen konnte. Im Zuge dieser Umgestaltung wurde auch der Bau eines zentralen Hauptbahnhofs beschlossen, der 1906 seinen Betrieb aufnahm. Vom Hauptbahnhof aus wurde eine direkte Schienenverbindung zur Norderelbbrücke vorgesehen, die in Form einer neuen zweistöckigen und mit vier Gleissträngen ausgestatteten neuen Oberhafenbrücke sowie einer anschließenden „Pfeilerbahn“ realisiert wurde. Nun konnten aus Harburg eintreffende Personenzüge direkt den Hauptbahnhof erreichen und von hier unmittelbar auf der Verbindungsbahn nach Altona weiterfahren. Mit der Inbetriebnahme des Hauptbahnhofes verloren die Kopfbahnhöfe und der Klosterthorbahnhof ihre Bedeutung und wurden teilweise abgetragen. Der Hannoversche Bahnhof diente noch dem Sonderzugverkehr und bis zum zweiten Weltkrieg dem Stückgutverkehr. 

1966Die Ericusbrücke vor ca. 40 Jahren. Glücklicherweise präsentiert sie sich heute noch im fast gleichen Zustand. Im Hintergrund die prächtige Speicherstadtkulisse am Brooktorkai. Rechts im Bild das Abfertigungsgebäude vom Zollamt Brooktor, das bereits Geschichte ist.

Ericusbruecke2Die Ericusbrücke heute. Die blaue Halle rechts im Hintergrund befindet sich nahezu in der Position des ehemaligen Hannoverschen Bahnhofs.

 

ericusbruecke3Eines der beiden markanten Stützräder der Ericusbrücke.

Die Ericusbrücke heute

Mit der Inbetriebnahme der Oberhafenbrücke im Jahre 1906 verlor die Ericusbrücke schlagartig ihre Bedeutung. Schon zwei Jahre später wurde ihr Gleis ausgebaut und die Brücke diente danach nur noch im Verlauf der Lohsestraße dem örtlichen Straßenverkehr. Bis 1948 bestand noch die Möglichkeit, die Brücke zu drehen, um größere Schiffe durchzulassen, danach wurde sie festgesetzt.

Gegenwärtig wird sie einer Renovierung unterzogen und kann alsbald ihr neues Leben als Fußgängerbrücke zwischen den Neubauten am Ericus/Brooktor und dem neuen, im Bau befindlichen Elbtorquartier am Lohseplatz fortsetzen. 

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass eine nahezu baugleiche Brücke bis zum Ende des zweiten Weltkrieges noch unmittelbar neben dem heutigen Maritimen Museum (ehemals Kaispeicher B) über den Magdeburger Hafen vorhanden war, die danach durch die heutige Magdeburger Brücke ersetzt worden ist.

 

Text und Fotos: Dierk Lawrenz